CDU-Ehrenvorsitzenden Renate Tangermann zusammen mit Niclas Herbst beim 22. Ahrensburger Wirtschaftsforum

Eine Dreiviertelstunde lang hatte Niclas Herbst gesprochen, danach war zunächst kurz Schweigen. Den Grund dafür formulierte ein Zuhörer zu Beginn der folgenden Diskussionsrunde: „Das war ein so dichter und leidenschaftlicher Vortrag, darüber muss man erstmal nachdenken.“
Dass es beim 22. Ahrensburger Wirtschaftsforum im Park Hotel intensiv werden könnte, hatte Gastredner Niclas Herbst, Spitzenkandidat der CDU in Schleswig-Holstein für die Wahlen zum Europäischen Parlament am 26. Mai, bereits im Motto des Abends angedeutet: „Es geht um die Zukunft Europas!“
Herbst sagte, er wolle die Menschen anregen, über Europa zu diskutieren. Das sei nötiger denn je vor einem Wahlkampf, der schmutzig werden könnte.
„Populisten, Nationalisten und Globalisierungsgegner haben bei dieser Wahl eines gemeinsam. Sie alle wollen eine schwache Europäische Union.“ Es gebe Hinweise auf verstärkte Netzaktivitäten zur Europawahl aus dem Raum St. Petersburg, und der Mastermind Stephen Bannon, der bereits starken Einfluss auf Trumps Wahl zum Präsidenten und den Brexit-Entscheid nahm, habe gemeinsam mit einem belgischen Rechtsextremisten The Movement — die Bewegung — als gemeinsamen rechten Block in Europa initiiert.
Herbst: „Wir müssen bereit sein, unser Europa zu verteidigen.“
Der schleswig-holsteinische CDU-Spitzenkandidat warnte davor, die vielen Errungenschaften Europas als Selbstverständlichkeiten zu nehmen, zum Beispiel die Leichtigkeit des grenzüberschreitenden Reisens, Vorteile des Binnenmarktes für Handel und Jobs, eine Währung für viele Staaten, aber auch kleinere Verbesserungen wie den Wegfall von Roaminggebühren und Geoblocking. Und vor allem: „Investititionsförderung und Europäischer Sozialfonds sind Erfolgsmodelle, mit denen Regionen entwickelt werden.
Davon profitiert auch Schleswig-Holstein sehr.“
Klar, es sei nicht alles perfekt. Die Bürokratisierung wirke oft zu übergriffig. Und die Auseinandersetzungen innerhalb der EU, mit den Visegrád-Staaten Polen und Ungarn, mit der chaotischen Regierung von Rechts- und Spaßpopulisten in Italien, bedrohten das Ganze, der Streit um Geld und Werte seien „Spaltpilze“.
„Wir müssen uns verstärkt um große Dinge kümmern, nicht um kleine“, sagte Herbst. „Die EU sollte nicht als Subventionsumverteilungsgemeinschaft, sondern muss wieder stärker als Wertegemeinschaft wahrgenommen werden.“
Tatsächlich gebe es zwar ein Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten, in dem das wirtschaftsstarke Kerneuropa ein Motor der Entwicklung sein sollte, das bedeute aber keinen Abschied von der europäischen Integration, denn erfolgreich könne man nur gemeinsam mit allen (nach dem wahrscheinlichen Brexit 27) Mitgliedstaaten sein.
„Eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, der starke Binnenmarkt,
Freihandelsabkommen, Forschung im Verbund — das alles seien Voraussetzungen dafür, dass Europa auf Augenhöhe mit den USA, mit China und Russland, aber auch mit multinationalen Konzernen verhandeln und seine Interessen glaubwürdig vertreten könnte. „Kein europäischer Staat kann im Zeitalter der Globalisierung allein bestehen.“
Herbst forderte, dass wir uns als Europäer wieder stärker der gemeinsamen Werte bewusst werden sollten. „Europa ist ein demokratisches Projekt und ein Friedensprojekt. Der Schlüssel einer auf Werten basierenden Politik ist, dass der Mensch im Mittelpunkt steht. Das ist der gemeinsame Wert, der Europa von anderen globalen Akteuren unterscheidet.“ Herbst appellierte an die etwa 80 Gäste im Park Hotel: „Machen Sie Werbung für Europa und die anstehende Wahl! Wir haben sehr viel zu verlieren!“

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