Die norddeutsche Wirtschaft zeigt sich unzufrieden mit dem bisherigen Fortgang des Infrastrukturausbaus im Norden. Mit Blick auf die neue Legislaturperiode weisen Kammern und Wirtschaftsverbände in einem gemeinsamen Appell an die Politik auf die Bedeutung von Aus- und Neubauprojekten im Straßenbau auch in Zukunft hin.
Dazu die Präsidentin der IHK Schleswig-Holstein, Friederike C. Kühn: „Der Weiterbau der A20 inklusive Elbquerung westlich von Hamburg ist seit Jahren ins Stocken geraten. Mit Blick auf die laufenden Koalitionsverhandlungen in Berlin warnen wir davor, den immer wieder ausgebremsten Weiterbau erneut auf den Prüfstand zu stellen. Ähnlich verhält es sich beim zweiten zentralen Autobahnprojekt: Auch die A 21 wird nur nach Salami-Taktik vorangetrieben.“
Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein hätte in den letzten zehn Jahren einen entscheidenden Fortschritt bei der Beseitigung des Hamburger Verkehrsnadelöhrs gebraucht. Für den Wirtschaftsstandort sei die rasche Umsetzung von Straßenbauprojekten von besonderer Bedeutung und bilde die Basis für Standortattraktivität und wirtschaftlichen Erfolg. Kühn: „Die Wirtschaft im Norden benötigt endlich Planungssicherheit, anstelle erneuter Diskussionen. Auch die nachhaltigen Antriebssysteme der Zukunft, egal, ob batterie- oder wasserstoffgetrieben, sind weiterhin auf eine leistungsfähige Straßeninfrastruktur angewiesen. Hier ist es insbesondere aufgrund der Verfügbarkeit sauberer Energien bei uns im Norden wichtig, technologieoffen und anwendungsorientiert zu denken.“
Der Appell im Wortlaut:
Anlässlich der Koalitionsverhandlungen und der Diskussion über den Stellenwert des Straßenverkehrs möchten wir eindrücklich darauf hinweisen, dass die Realisierung von Aus- und Neubauprojekten im Straßenbau für den Wirtschaftsstandort Norddeutschland auch weiterhin von größter Bedeutung ist. Eine moderne und leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur bildet die Grundvoraussetzung für die Attraktivität eines Standorts und für damit nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg.
Vor diesem Hintergrund fordern wir, dass eine neue Bundesregierung die im Bundesverkehrswegeplan verankerten Straßenbauprojekte (beispielsweise der Neubau der Autobahnen A20, A21, A26 und A39 sowie die geplanten Ausbaumaßnahmen der A1 und A7) zügig vorangebracht und realisiert werden. Ein Moratorium inklusive einer Neubewertung von bereits beschlossenen Straßenbauprojekten, wie im Wahlkampf verschiedentlich angekündigt, würde den Wirtschaftsstandort Norddeutschland um Jahre zurückwerfen.
Vielmehr fordert die norddeutsche Wirtschaft deutliche Beschleunigungen bei Planungs-, Genehmigungs- und Realisierungsverfahren. Eine Grundsatzdiskussion über die Notwendigkeit von Neubaumaßnahmen lehnen wir entschieden ab. Unser Wirtschaftsstandort benötigt verlässliche politische Rahmenbedingungen und massive Investitionen in eine leistungsfähige Verkehrsinfrastruktur.
Speziell in Norddeutschland besteht im bundesdeutschen Vergleich ein großes infrastrukturelles Defizit. Hamburg ist für verschiedenste Verkehrsträger der Knotenpunkt in Nordeuropa. Die fehlenden Umfahrungsmöglichkeiten der Metropole, sowie die begrenzte Anzahl von Elbquerungen sorgen dafür, dass die bestehenden Verkehrswege chronisch überlastet und regelmäßig von Staubildungen betroffen sind. Dies hat negative Auswirkungen weit über Hamburg hinaus und beschränkt die Entwicklung des gesamten norddeutschen Wirtschaftsraumes.
Mit der Realisierung der Autobahnen A20, A21, A26 und der A39 sowie dem durchgängigen Ausbau der A1 und der A7 werden dringend notwendige Kapazitätserweiterungen und Bypässe geschaffen und Schwerlastverkehre damit auf den Autobahnen gebündelt. Dies erhöht die Verkehrssicherheit und die Lebensqualität entlang der (inner-)städtischen Hauptverkehrsstraßen.
Zugleich werden die Hinterlandanbindungen der norddeutschen Seehäfen und damit verschiedenste Lieferketten gestärkt. Mit einem optimierten Anschluss an das bundesdeutsche Fernstraßennetz verbessert sich zudem die Erreichbarkeit von strukturschwächeren Regionen, sodass Norddeutschland ganzheitlich gestärkt und Verknüpfungen mit weiteren Metropolregionen verbessert werden können. Leistungsfähige Verkehrswege können zudem einen Beitrag leisten, um den Siedlungsdruck in urbanen Räumen abzuschwächen und den ländlichen Raum attraktiver zu gestalten.
Gleichzeitig bekennen wir uns ausdrücklich zu einer nachhaltigen Verkehrswende und sind uns der Notwendigkeit bewusst, die Mobilität schnellstmöglich klimaneutral aufzustellen. Hier-bei müssen jedoch sämtliche Verkehrsträger angemessen berücksichtigt werden. Investitionen in den Straßenbau stehen keinesfalls im Widerspruch zu den ehrgeizigen Klimazielen, die auch von Seiten der Wirtschaft eindeutig artikuliert und unterstützt werden. Eine moderne und innovative Verkehrsinfrastruktur kann vielmehr dazu beitragen, Staus – und damit unnötige Emissionen – zu minimieren.
Außerdem ist eine bedarfsgerecht ausgebaute Verkehrs- und Versorgungsinfrastruktur die Voraussetzung für einen breiten Einsatz von Elektromobilität und weiteren nachhaltigen Antriebssystemen im Straßenverkehr. Die Mobilitätswende darf folglich nicht einseitig zulasten des Verkehrs auf der Straße organisiert werden.
Text: IHK Schleswig-Holstein / Redaktion, Foto: Ahrensburg-Portal