Ausreichende Impfstoffmengen für die Praxen im Kampf gegen Corona hat Dr. Andreas Gassen, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), auf der heutigen digitalen Vertreterversammlung in Berlin gefordert.
„Seit April haben die Praxen 56,7 Millionen Impfungen durchgeführt. In der letzten Novemberwoche wurden deutschlandweit 3,16 Millionen Impfungen – sowohl Erst- bzw. Zweitimpfungen als auch Booster – in Praxen durchgeführt“, rechnete Gassen vor. Das sei der zweithöchste Wert in der ganzen bisherigen Impfkampagne und nicht weit entfernt vom bisherigen Rekord von 3,4 Millionen Impfungen Ende Juni. „Das Impftempo steigt seit Anfang November kontinuierlich und deutlich an, und hier insbesondere der Anteil der Booster-Impfungen“, sagte der KBV-Chef. Insgesamt seien nun etwa 12 Millionen Menschen in Deutschland geboostert worden, davon 8,9 Millionen in den haus- und fachärztlichen Praxen.
Auch Erstimpfungen nehmen laut Gassen wieder zu. „Für die aktuelle Woche haben die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen sowie die Betriebsärzte rund 8,57 Millionen Impfstoffdosen bestellt, für die kommende Woche sind es knapp 10 Millionen Dosen“, führte Gassen weiter aus. Der KBV-Vorstandsvorsitzende beklagte jedoch, dass Impfstoff erneut knapp sei: „Der Bund kann die von den Praxen und auch vom Öffentlichen Gesundheitsdienst angeforderten Impfstoffmengen nicht liefern!“
Minister Spahn liefert 3 Mio. Impfdosen weniger als notwendig
Für die Impfungen in der nächsten Woche hätten Vertrags- und Betriebsärzte sowie der Öffentliche Gesundheitsdienst bereits unter der Vorgabe von Höchstbestellmengen zusammen rund 6,5 Millionen Dosen des BioNTech/Pfizer-Impfstoffes bestellt, so Gassen: „Ausgeliefert werden voraussichtlich jedoch nur 2,9 Millionen Dosen und damit weniger als die Hälfte.“ Aus den Praxen sei zudem zu hören, dass auch ihre Moderna-Bestellungen gekürzt würden.
Dass Corona hierzulande nicht in den Griff zu bekommen sei, sei nicht die Schuld der Praxen. „Die wollen impfen, können aber nicht – wieder einmal. Nicht die Praxen bremsen den Impffortschritt, sondern Politik bremst die Praxen massiv aus“, betonte Gassen. Daher wäre es wünschenswert, dass zuerst einmal die Praxen so impfen könnten, wie sie das gerne täten: „Wem hilft es, wenn wir Vertragsärzte mit Apothekern, Zahn- und von mir aus auch noch Tierärzten um nicht vorhandenen Impfstoff konkurrieren? Wir stehen schlichtweg mit leeren Händen da.“
Vorwürfen aus der Politik, dass das Impftempo zu langsam sei, widersprach der KBV-Chef. „Tatsache ist: Die Praxen arbeiten seit fast zwei Jahren am Anschlag. Dass es immer noch keine Bonuszahlung für die Medizinischen Fachangestellten gibt, ist ohnehin fast schon ein Skandal – uns dann auch noch zu unterstellen, wir würden nicht genug arbeiten, ist eine Frechheit!“, so Gassen.
Positive Erwartung an die neue Bundesregierung
Ein wenig Hoffnung setzt der Vorstandsvorsitzende in die neue Bundesregierung. „Immerhin: Die Ampelkoalition will – endlich! – einen ständigen Corona-Krisenstab und einen Expertenrat im Kanzleramt einrichten. Eine Forderung, die wir schon vor über einem Jahr gestellt haben“, erklärte Gassen. Von der neuen Regierung erwartet er vor allem zwei Dinge, die in der Pandemie schmerzlich vermisst worden seien: „Verlässlichkeit und Weitsicht. Das betrifft auch die Rahmenbedingungen für die ambulante Versorgung. Wenn es eines Beweises bedurfte, was die Vertragsärztinnen und -ärzte und deren Teams leisten können, wenn man sie nur lässt, dann hat die Pandemie diesen Beweis geliefert.“
Kritik am Chaos der CDU-Bundesregierung
Gassen zog in seiner Rede auch ein Fazit zur Gesundheitspolitik der zurückliegenden Legislaturperiode, die eine Rekordzahl an Gesundheitsgesetzen beschert habe: „Etwas weniger Aktionismus, dafür mehr Gründlichkeit und Nachhaltigkeit wären manchmal wünschenswert gewesen.“ Der Koalitionsvertrag der Ampel enthalte einige positive Signale, zeichne sich allerdings durch einige staatsnahe Regelungen zulasten der Selbstverwaltung aus. Was das konkret bedeute, müsse sich erst noch zeigen.
Text: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) / Redaktion, Foto: Foto: Angelo Esslinger auf Pixabay