Kann ich jetzt noch eine Immobilienfinanzierung abschließen? Was wird aus meinem Hausbau? Wie rette ich meine Finanzierung durch die Krise?
Für Bauherren und Immobilienkäufer wirft die Coronakrise viele Fragen auf. Antworten und Tipps von Michael Herte, Referent für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.
Können Verbraucher*innen in dieser unsicheren Situation eine Immobilienfinanzierung bekommen?
Herte: „Ja, unter der Voraussetzung, dass sie ein sicheres Einkommen in ausreichender Höhe zur Verfügung haben. Viele Banken vergeben weiterhin Immobiliendarlehen und der Zinssatz hat aktuell sogar ein neues Tief erreicht. Einige Banken scheinen die niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt allerdings nicht eins zu eins an die Kunden weiterzugeben, denn sie kalkulieren eine höhere Risikoprämie ein, um pandemiebedingte Zahlungsausfälle wenigstens bei neuen Baufinanzierungen ausgleichen zu können.
Banken sind verpflichtet, die Kreditwürdigkeit der Kunden vor der Kreditvergabe zu prüfen. Deshalb wird es wohl hinsichtlich der beruflichen Situation nicht nur darauf ankommen, ob der Arbeitsvertrag befristet ist, oder die Probezeit noch andauert, sondern auch darauf, ob der Arbeitgeber oder die Branche besonders gefährdet ist. Es ist kaum vorstellbar, dass eine Bank die Zahlung von Kurzarbeitergeld oder Insolvenzgeld in den letzten Monaten nicht bei einer aktuellen Kreditentscheidung berücksichtigt. Entscheidend ist hier aber die Prognose für die Zeit nach der Pandemie. Bei der Kreditwürdigkeit steht in erster Linie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Kunden im Vordergrund – wer mit großer Wahrscheinlichkeit die Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag bedienen kann und natürlich genug Geld zum Lebensunterhalt übrigbehält, ist ein gerngesehener Kunde. Ob das Darlehen gewährt wird, hängt aber auch von der Werthaltigkeit einer zur Sicherheit bereitgestellten Immobilie ab. Als Faustformel gilt hier, dass Banken regelmäßig bereit sind, bis zu 80 Prozent des aktuellen Marktwertes zu finanzieren. Wer den Kaufpreis vollständig über ein Darlehen finanzieren möchte – also eine 100-Prozent-Finanzierung sucht – muss für die letzten 20 Prozent hohe Aufschläge bezahlen.“
Ist eine neue Immobilienfinanzierung in der dieser Situation überhaupt ratsam, oder sollte man solche Pläne möglichst verschieben?
Herte: „Ob der Immobilienerwerb gerade jetzt in die Lebens- und Finanzplanung passt, ist individuell. Antworten auf diese Fragen kann eine Beratung bei der Verbraucherzentrale ergeben. Wenn allerdings wegen der Pandemie die Wirtschaft erheblich geschwächt wird, kann sich dies auf die Immobilienpreise auswirken. Wir können derzeit keine Vorhersagen treffen, ob und in welchen Regionen die Preise für Immobilien sinken werden.“
Welche Zinsbindung ist zurzeit zu empfehlen?
Herte: „Die Grundregel lautet: Je niedriger das Zinsniveau, desto länger sollte man die Zinsbindung wählen. 15 bis 20 Jahre bieten viel Planungssicherheit. Zudem können Darlehensnehmer nach 10 Jahren auch vor Ablauf der Zinsbindungsfrist kündigen. Die Bank darf das nicht.“
Muss ich für Baufinanzierung zur Bank oder kann ich sie auch online abschließen?
Herte: „Einige Banken bieten diesen Service auch online an – ebenso wie eine vorherige Beratung per Videokonferenz. Die Vertragsunterlagen kommen dann in Papierform und die Finanzierung wird schriftlich abgeschlossen. Das alles funktioniert auch per Post.“
Um den Kaufvertrag zu unterschreiben, brauche ich einen Notar. Geht das auch online?
Herte: „Nein, die Beurkundung eines Vertrages ist online bisher nicht möglich. Viele Notare bieten aber weiterhin die Möglichkeit, Termine zur Beurkundung wahrzunehmen. Wer zur Risikogruppe gehört und Angst vor dem Ansteckungsrisiko hat, kann einen Bevollmächtigten beauftragen.“
Angenommen, ein Bauprojekt wird gestoppt, weil zum Beispiel die Baufirma pleite ist oder Gewerke ausfallen – wer zahlt die Bereitstellungszinsen?
Herte: „Die Bereitstellungszinsen zahlt der Kunde. Wenn das Bauunternehmen die Fertigstellung schuldhaft verzögert, hat der Kunde gegenüber dem Unternehmen Anspruch auf Erstattung der Bereitstellungszinsen. Wenn das Unternehmen insolvent ist, wird der Bauherr aber auf dem Schaden sitzenbleiben. Ist das Bauunternehmen nicht mehr handlungsfähig, werden die Bereitstellungszinsen aber das kleinste Problem der Kunden sein. Einen gewissen Schutz für Bauherren bietet die Baugarantieversicherung, auch Fertigstellungsgarantie genannt. Diese Versicherung muss in der Regel der Bauunternehmer abschließen. Sie sichert dem Bauherrn im Falle der Insolvenz des Unternehmens den Weiterbau des Hauses zum vereinbarten Festpreis.“
Wie geht es weiter, wenn Käufer aufgrund der aktuellen Krise ihre Raten nicht mehr zahlen können? Was können sie tun?
Herte: „Zunächst sollten Betroffene frühzeitig Kontakt zu ihrer Bank aufnehmen, damit sie gar nicht erst eine Mahnung wegen überfälliger Raten erhalten. Ob die Darlehensraten im Einzelfall gestundet werden, hängt dank eines neuen Gesetzes auch nicht mehr vom Wohlwollen der Bank ab. Der neu eingeführte Artikel 240, Abs. 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) regelt, dass für Verbraucherdarlehensverträge, die vor dem 15. März 2020 geschlossen wurden, ein dreimonatiger Zahlungsaufschub zu gewähren ist, wenn ohne den Zahlungsaufschub ein angemessener Lebensunterhalt gefährdet wäre. Innerhalb dieser Zeit sind Verbraucher auch davor geschützt, dass die Bank das Darlehen wegen Zahlungsverzugs, wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse oder wegen des Wertverfalls der Kreditsicherheit kündigt. Für den Antrag bietet die Verbraucherzentrale ein Musterschreiben an.“
Wie geht weiter, wenn das gewohnte Einkommen wegen der Krise dauerhaft wegbricht und keine Lösung absehbar ist?
Herte: „Wenn eine Stundung der Raten nicht mehr infrage kommt, sollten Betroffene den Verkauf der Immobilie in Erwägung ziehen und mit ihrer Bank darüber sprechen. Wenn die Bank den Vertrag noch nicht selbst wegen Zahlungsverzug gekündigt hat, müssen Betroffene bei vorzeitiger Beendigung des Darlehens eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. In diesem Fall empfehle ich eine Beratung bei der Verbraucherzentrale.“
Text: Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein e.V. / redaktion
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