Die Digitalisierung der Medizin birgt große Potenziale, die Patientenversorgung zu verbessern. Doch statt diese zu heben, trägt die von der Bundespolitik verordnete Digitalisierung per Brechstange unzählige Probleme in die Praxen.
Paradox: Ärzten und Psychotherapeuten bleibt weniger Zeit für die Behandlung der Patienten als zuvor. Statt Digitalisierungs-Experimente mit Strafandrohung im laufenden Praxisbetrieb durchzupeitschen, müssen die Anwendungen vor Markteinführung umfassend getestet werden und ein reibungsloser Betrieb garantiert sein. Was Praxen entlasten und die Versorgung verbessern soll, ist bislang nur eine weitere Mehrbelastung „Bevormundung und Sanktionen führen zu Frust und Ablehnung. Wir fordern ein Ende der Sanktionen. Wenn Digitalisierung funktioniert, schaffen Praxen die Technik aus freien Stücken an.
Fördern statt fordern lautet die Devise“, sagt Dr. Monika Schliffke, Vorstandvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH). Seit 2020 wird Praxen, die nicht an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen sind, 2,5 Prozent ihres Honorars abgezogen. Bei der Einführung des eRezepts wird nun erneut mit Strafen gedroht: Praxen, die es nicht ausstellen können, droht ein Prozent Honorarabzug und die Halbierung der TI-Pauschalen, über die die Technik in den Praxen finanziert wird. „Unsere große Sorge ist, dass sich die u.a. daraus resultierende Demotivation und Resignation in der Versorgung bemerkbar machen wird. Wir beobachten schon jetzt deutliche Zeichen der Erschöpfung und des Rückzugs auf Raten“, schildert Schliffke ihre Eindrücke.
Bisher sind digitale Anwendungen wie Stammdatenabgleich oder elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Zeitfresser in den Praxen und haben nur bei Krankenkassen und Arbeitgebern für effizientere Verwaltungsabläufe und damit zu Einsparungen in Millionenhöhe geführt.
Der Mehraufwand in den Praxen geht zu Lasten der medizinischen Versorgung. Anders als vorgesehen decken die Pauschalen für die Finanzierung der IT die Kosten keineswegs. Unberücksichtigt bleiben z. B. Ausfälle bei technischen Störungen und notwendige Schulungen der Teams. Statt des bürokratischen und am Ende unzureichenden Finanzierungskonzepts des Gesundheitsministers sei eine kostendeckende Quartalspauschale die bessere Alternative, so die KVSH. Finanziert werden könnte die Pauschale aus den Einsparpotenzialen, die die Digitalisierung den Krankenkassen beschert. Eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung McKinsey beziffert diese auf 42 Milliarden Euro bundesweit.
Anwendungen wie elektronische Arztbriefe, die elektronische Patientenakte oder den elektronischen Medikationsplan begrüßt der Vorstand der KVSH ausdrücklich. Sie können die Patientenversorgung verbessern. Zugleich müsse dem Datenschutz aber oberste Priorität eingeräumt werden. „Gesundheitsdaten sind ein enorm wertvolles Gut. Die Politik muss sicherstellen, dass die persönlichen Daten von Patienten bei Ärzten und Psychotherapeuten zu jeder Zeit umfassend geschützt sind und bleiben“, so Schliffke.
Text: Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein