Corona-Krise sorgt für Umsatzrückgänge und ungewisse Zukunftsaussichten
„Nach Corona wird es nicht wie mehr wie vorher“
„Eine Rückkehr zur Normalität wird es nicht geben, die durch die Pandemie hervorgerufenen Veränderungen sind zu groß und zu beherrschend“, sagte Friederike C. Kühn, Präses der IHK zu Lübeck, in der IHK-Jahrespressekonferenz. Viele Branchen würden lange brauchen, um wieder Fahrt aufzunehmen. Es gebe aber auch Zeichen einer Entspannung, die vor allem aus dem verarbeitenden Gewerbe kommen. „Um diesen Schwung zu verstärken und andere mitzunehmen, ist die Wirtschaft mehr denn je auf optimale Rahmenbedingungen angewiesen. Der Neustart darf daher kein ‚Weiter-So‘ sein, wenn wir im internationalen Wettbewerb bestehen und weiter nach vorn kommen wollen.“
Lockdown ist Katastrophe für viele wichtige Branchen im Norden
„Auf so eine Situation über einen so langen Zeitraum waren wir nicht vorbereitet. Darüber steht auch nichts in den Lehrbüchern“, sagte die Präses. Der Stillstand in vielen Branchen führte zu Angst und Unsicherheit über die Zukunft. „Das haben wir von tausenden Anrufern und in unseren fünf Corona-Blitzumfragen erfahren.“ Vor allem Einzelhändler, Reisebüros, Gastronomie und Hotellerie waren betroffen: „Eine Katastrophe für ein Tourismusland“, so Kühn. Auch Teile des Einzelhandels hätten schwere Zeiten erlebt und die Umsatzrückgänge auch im Weihnachtsgeschäft nicht ausgleichen können.
Kaum eine Branche blieb verschont. Es habe aber auch Lichtblicke gegeben: Einzelne Unternehmen konnten der Krise trotzen, weil sie nicht von den Pandemie-Beschränkungen betroffen waren oder gerade jetzt benötigte Produkte herstellten oder Dienstleistungen anboten. „Erfreulich ist, dass die Unternehmer nicht aufgegeben, sondern sich weiterentwickelt haben und mit neuen Vertriebskanälen oder Geschäftsideen im Markt geblieben sind“, so Kühn. Sie erkannte ausdrücklich an, dass Bund und Land mit weitgehend schneller und unbürokratischer Hilfe einer Wirtschaftskrise vorgebeugt haben.
Nach Corona muss alles geschehen, um die Wirtschaft wieder zu stärken
Nach dem Überwinden der Krise sei eine weitere Kraftanstrengung erforderlich, um zügig wieder auf einen nachhaltigen Wachstumskurs einzuschwenken. „Das wird kein Selbstgänger, zumal gerade die exportorientierte deutsche Wirtschaft ihre Marktanteile zurückgewinnen muss. Da sich die chinesische Wirtschaft bereits erholt hat, sind wir mit einem dynamischen internationalen Wettbewerb konfrontiert“, betonte Kühn.
Bei der Ankurbelung der Binnenwirtschaft komme es vor allem auf Bund, Länder und Kommunen an. „Die Politik hat in der Krise bewiesen, dass sie zügig handeln und helfen kann. Oberstes Gebot war es, die Unternehmen mit Überbrückungshilfen zu unterstützen“, so Kühn. „Es wird Zeit, darüber nachzudenken, diese Hilfe anzupassen und gerechter zu verteilen“, ergänzte sie und verwies auf aktuelle Ideen des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zur effizienteren Verteilung der Mittel. „Zudem benötigen wir gezielte Innovationsförderung und Programme, die helfen, den Strukturwandel erfolgreich zu managen, denn der Zeitpunkt ist gekommen, in innovative Technologien zu investieren und Anreize für Unternehmen zu schaffen, neue Wege zu gehen“, forderte Kühn. Vorrangig sei die Wasserstofftechnologie, von der Gewinnung der Energiequelle bis zu ihrem Einsatz in Fabriken und Fahrzeugen, etwa in Lastwagen, Bussen, Autos und vor allem auch in Schiffen, Lokomotiven und Flugzeugen. „Um im globalen Wettbewerb die Nase nach vorn zu bekommen, müssen wir neue Geschäftsideen entwickeln. Mehr denn je benötigen wir eine abgestimmte norddeutsche Innovationsstrategie und das Bekenntnis der Politik, diese zu realisieren.“
Eine Verlängerung des Lockdowns sieht die IHK mit Sorge für die regionale Wirtschaft
„Der Schutz der Gesundheit ist uns sehr wichtig. Aber Einzelhandel, Gastronomie und Tourismuswirtschaft inklusive des Veranstaltungsbereiches sind übermäßig stark von den Einschränkungen betroffen, obwohl sie offenbar nicht für die massenhafte Weiterverbreitung des Virus verantwortlich sind. Daher sollte das Land diesen Branchen ermöglichen zu öffnen, sofern sie die Hygienebedingungen erfüllen und die Inzidenzwerte dies wieder erlauben“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Lars Schöning. Häufig haben diese Unternehmen sehr viel Zeit und Geld in schlüssige Hygienekonzepte investiert und mussten schließen, obwohl nach wissenschaftlichen Erkenntnissen kein erhöhtes Infektionspotenzial von ihnen ausgeht.
Schöning: „Klar ist: Ein Lockdown ist nur in den Wirtschaftsbereichen gerechtfertigt, in denen objektiv nachweisbar ist, dass sie eine Ausbreitung des Virus begünstigen. Von der Politik wünschen wir uns deshalb mehr Flexibilität und Rücksicht auf regionale Pandemieverläufe und haben diese Position bereits im Herbst gemeinsam mit allen IHKs im Land eingebracht. Angesichts der Härte dieser Krisenbewältigungsmaßnahmen ist es aus Sicht der Wirtschaft jetzt unerlässlich, die bisher ergriffenen Schritte permanent zu hinterfragen, nachzuschärfen und zu beenden, sobald die Infektionsdynamik gebrochen ist.“ Nur so ließe sich dauerhafter Schaden von der schleswig-holsteinischen Wirtschaft abwenden.
Neue Konzepte für die Innenstädte notwendig
Zugleich rief der Hauptgeschäftsführer dazu auf, umfassende und innovative Konzepte für die Innenstädte auszuarbeiten, damit der stationäre Einzelhandel auch nach der Krise eine Chance gegen den Wettbewerb im Internet hat und die Städte auch weiterhin vitale und lebenswerte Orte bleiben. Die IHK steht hier auch weiterhin mit Rat und Tat an der Seite der Gewerbevereine und Kommunen und hat deshalb die hausinternen Experten zu den Themen Handel, Stadtentwicklung, Bauleitplanung sowie Tourismus für 2021 in einer schlagkräftigen Einheit gebündelt.
Steuererhöhungen und Bürokratie behindern wirtschaftliche Erholung
„Erhöhungen von Steuern und Abgaben wären kontraproduktiv. Auch von Bürokratie müssen wir die Betriebe entbinden“, sagte Schöning. Der Staat sollte jetzt Reformen einleiten, die die Qualität und die Attraktivität unseres Standorts erhöhen.“
Vielen Firmen geht das Geld demnächst aus – steuerliche Erleichterungen nötig
Auch die Liquidität der Unternehmen müsse der Staat durch unterstützende Rahmenbedingungen stärken. „Unsere fünfte Blitz-Umfrage ist in Bezug auf die Umsatzeinbußen ebenso alarmierend wie beim Thema Eigenkapital. Vielen Betrieben geht das Geld aus oder sie gehen an die Reserven, die sie für Investitionen in der Phase der wirtschaftlichen Erholung benötigen“, betonte Schöning. Deshalb brauche es auch steuerliche Erleichterungen wie die Ausweitung des Verlustrücktrags, das Eigenkapital stärkende Maßnahmen sowie mehr Flexibilität bei der Erbschaftsteuer an die Corona-Bedingungen: „Unter diesen Umständen können nicht alle Erben die hohen Auflagen etwa bei der Beschäftigung erfüllen.“
In der Krise ist die Digitalisierung deutlich vorangeschritten
„Die Digitalisierung ist Treiber von Prozessen und Kommunikation und sie hat sich auch als nutzbringender Beschleuniger erweisen können“, sagte Schöning. Die nächsten Trends seien bereits absehbar, so Schöning. „Unternehmen werden zukünftig mehr Daten sammeln. Diese Entwicklung birgt große Chancen, falls es uns gelingt, uns von den Big Data-Monopolen der USA zu lösen und eigene Strukturen nach unseren Gesetzen aufzubauen“, sagte Schöning. Die Individualisierung der Produktion wird auch die Arbeitswelt verändern. Im Mittelpunkt würde noch mehr als vor der Pandemie die Frage stehen, wie ein Unternehmen Mitarbeiter bindet und sie zu lebenslangem Lernen motiviert? „Hier muss sich die Wirtschaft auf die Bedürfnisse des einzelnen einstellen und ihm signalisieren, dass und wie sie ihn mitnimmt“, ergänzt der Hauptgeschäftsführer.
Nachwuchsförderung ist weiter wichtig
Ebenso wichtig sei es, junge Menschen zu begeistern und zu Fachkräften in den Unternehmen auszubilden. „Die Nähe zur Wirtschaft ist eines der Erfolgsgeheimnisse des Dualen Systems in der Ausbildung. Praxis und Schule sind die Grundlagen der Ausbildung“, so Schöning. Nachdem der Bewerbermarkt bis 2019 wie leergefegt war, hat die Pandemie auch hier deutliche Spuren hinterlassen. Der Rückgang der Ausbildungsverträge liegt im Vergleich zu 2019 bei zehn Prozent. „Die Verunsicherung bei Unternehmen und Schulabgängern war groß. Im Frühjahr wusste niemand, ob und wann die jungen Leute ihre Schulabschlüsse machen können. Aufgrund der Beschränkungen kamen viele Vorstellungsgespräche nicht zustande und auch Praktika sowie Jobmessen waren unmöglich, daher fanden Angebot und Nachfrage nicht immer zusammen.“
Damit die Zahl der Verträge nicht noch weiter sinkt, wird die IHK ihre Anstrengungen im Bereich der Ausbildung noch einmal verstärken. „Es gibt genügend freie Plätze, mit Werbung und Aktionen werden die Unternehmen diese auch besetzen können“, ist der Hauptgeschäftsführer überzeugt. Gemeinsam mit Präses Kühn appellierte er an die Betriebe, in ihren Bemühungen um die Ausbildung nicht nachzulassen, und an Schulabgänger, sich für den Dualen Weg als Einstieg in das Berufsleben zu entscheiden. Die Karrierechancen werden mit einer soliden Ausbildung als Grundlage auch in Zukunft gut sein, so Schöning.
Baubeginn des Fehmarnbelt-Tunnels gibt wirtschaftliche Impulse
Der HanseBelt erhält viele neue Wachstumsimpulse durch den für dieses Jahr geplanten Baubeginn des Fehmarnbelt-Tunnels. „Das größte Infrastrukturvorhaben in Nordeuropa lässt wichtige Zentren in Norddeutschland, Dänemark und Schweden enger zusammenwachsen. Und wir liegen genau in der Mitte, uns bieten sich hervorragende Chancen, die wir nutzen wollen.“
Auf dem Foto von links: IHK-Hauptgeschäftsführer Lars Schöning, Friederike C. Kühn, Präses der IHK zu Lübeck, Rüdiger Schacht, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK zu Lübeck, mit der IHK-Zeitung „Schlaglichter im IHK-Jahr 2020“
Text: IHK / Redaktion, Foto: IHK Tietjen