Der Autor Henning K. Müller, Doktorand an der Universität Hamburg und hauptamtlich im Archiv des Kreises Rotenburg in Bremervörde tätig, hat die Biografien der zwölf Landräte aufgearbeitet, die von der Weimarer Republik an bis in die 1970er-Jahre an der Spitze der Kreisverwaltung standen.
Er stellt die Ergebnisse der Studie vor, die unter dem Titel „Die Stormarner Landräte und der Nationalsozialismus“ in diesem Jahr präsentiert wurde. „Es war nicht nachzuweisen, dass einer der Landräte während seiner Amtszeit in Stormarn direkt an NS-Verbrechen beteiligt war“, erklärt der Autor. Gleichwohl konnte er in mehreren Fällen die Nähe zum Nationalsozialismus belegen.
Dr. Constantin Bock von Wülfingen war der erste Landrat nach der Machtübernahme der
Nationalsozialisten: 1933 wurde er nach einer Entlassungswelle derjenigen Amtsinhaber, die den Nationalsozialisten nicht genehm waren, zum Landrat von Stormarn ernannt. Er blieb bis 1936 im Amt. Sein Antrag auf Mitgliedschaft in der NSDAP erfolgte am selben Tag, auch wenn er erst 1937 aufgenommen wurde. Zudem war er Mitglied der SS und der SA und soll laut Müller 1935 gegen den deutschnationalen Funktionär Otto S. in Bargteheide vorgegangen sein.
Rolf Breusing, Landrat von 1940 bis 1942 und 1945, war bereits 1930 in die NSDAP
eingetreten, 1933 in die SS, in der er zum SS-Obersturmführer befördert wurde. Obwohl er Geheimdienstinformationen aus Stormarn an die NSDAP berichtete, erwirkte er gleichzeitig, dass die jüdische Familie von Dr. Arthur Goldschmidt aus Reinbek von der drohenden Deportation zurückgestellt wurde. „Breusing hat später wie auch andere seine SS-Mitgliedschaft verharmlost“, so Müller, „als seine Verstrickung ins Regime nach dem Krieg
untersucht wurde, wurde er abschließend als „Mitläufer“ eingestuft.“
„Rolf Carls, Marineoffizier und kommissarischer Landrat von 1943 bis 1945, war an den
Planungen zum Angriff auf Norwegen beteiligt und hat damit aktiv die Expansionspolitik des
NS-Regimes unterstützt“, stellt Henning K. Müller fest. Carls kam kurz vor Kriegsende bei
einem Bombenangriff auf Bad Oldesloe ums Leben.
Wilhelm Paasche, 1945 erster eingesetzter Nachkriegslandrat, war bereits als Jugendlicher im NS-Schülerbund führend aktiv und zunächst in der Parteiverwaltung der NSDAP und
angeschlossenen Verbänden tätig. Er hatte der britischen Militärregierung nach Kriegsende
seine NS-Vergangenheit verschwiegen. Als sie 1946 ans Licht kam, wurde Paasche sofort
entlassen. Ein Porträt von ihm hängt nicht in der Galerie.
Unter den Landräten gab es mit Dr. Erich Keßler auch einen Mann, der sich schon früh gegen den Nationalsozialismus gestellt hatte. 1937 bis 1940 war er Landrat im Kreis Stormarn und hatte sich bereits 1940 im Widerstand engagiert. Er gehörte außerdem zum erweiterten Kreis der Widerstands-gruppe vom 20. Juli 1944 gegen Hitler. Für alle Landräte kann Müller nachweisen, dass es persönliche Konflikte mit dem Oldesloer NSDAP-Kreisleiter Erich Friedrich gab, der den Amtssitz der Kreisverwaltung von Wandsbek nach Bad Oldesloe
verlegen wollte.
Auffallend sei, dass die Stormarner Landräte größtenteils Juristen oder Verwaltungsbeamte
und damit Fachleute gewesen seien, so Müller. „Kein Landrat wurde aufgrund seiner
Verdienste für die NSDAP mit dem Amt betraut, sprich, keiner gehörte etwa der Gruppe der
so genannten „Alten Kämpfer“ an, die nach der Machtübernahme zum Dank häufig in
exponierte staatliche Stellungen gebracht wurden.“ Auch sei den vorliegenden Quellen nach
kein Landrat aktiv und aus eigenem Antrieb gegen Sozialdemokraten und Kommunisten
vorgegangen. „Als unterste polizeiliche Instanz waren sie aber zumindest indirekt an
Verhaftungen beteiligt.“
11.12.2018, 19 Uhr
Kreisverwaltung Stormarn (Gebäude F)
Mommsenstr. 14 (Neubau am Bahnhof)
Bad Oldesloe
Raum F 22
„Die Stormarner Landräte und der Nationalsozialismus“
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