„Wir wollen die Unternehmen noch nachhaltiger auf dem Weg aus der Krise in eine sichere Zukunft begleiten. Es gibt trotz der großen Herausforderungen viele Gründe, mit Optimismus nach vorn zu gehen. Auch aus Gesprächen mit Unternehmern und unseren Umfragen wissen wir, dass die Stimmung in unseren Mitgliedsbetrieben besser ist als in vielen anderen Regionen“, sagte Hagen Goldbeck, Präses der IHK zu Lübeck.
Damit die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft im Hansebelt stimmen, führten die Mitglieder der IHK-Vollversammlung sowie die Vorstandsvorsitzende der Unternehmerinitiative HanseBelt e.V., Dr. Astrid Bednarski, einen wirtschaftspolitischen Dialog mit Claus Ruhe Madsen, Minister für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein. Ziel war es, der Landesregierung aus erster Hand mitzuteilen, was die Unternehmen benötigen.
An oberster Stelle steht trotz der Pandemie-Folgen, der Energiekrise und des Ukraine-Kriegs nach wie vor der Arbeitskräftemangel. Im Schwerpunkt „Menschen“ bündeln die IHK und die Unternehmerinitiative HanseBelt e.V. daher alle Aktivitäten von der Ausbildung junger Menschen bis zur Beratung von Nachfolgern und Übergebern von Unternehmen. Wichtig sei es, die Attraktivität von Aus- und Weiterbildung deutlich zu steigern. Doch das System sei sehr starr. Es setze vor allem auf formale Abschlüsse. Goldbeck: „Wir benötigen endlich auch eine gesetzlich verankerte Gleichwertigkeit von beruflichen sowie akademischen Kompetenzen und Abschlüssen. Fachwirte und Meister sind mit dem akademischen Bachelor gleichwertig.“
Er kündigte für das kommende Frühjahr den Start der bundesweiten IHK-Ausbildungskampagne „#könnenlernen“ an, die für die duale Ausbildung und Aufstiegschancen werben soll. Minister Madsen begrüßte die Idee: „Wir müssen dafür sorgen, dass sich unter den jungen Menschen herumspricht, wie attraktiv und spannend eine Ausbildung ist.“ Und der beste Weg zur Gewinnung von Auszubildenden führe über Betriebspraktika. Darüber hinaus lenke das Land seinen Fokus auch auf die Gewinnung ausländischer Fachkräfte, weil die vorhandenen Potenziale den Bedarf nicht decken könnten. Mit der Etablierung eines Welcome Centers Schleswig-Holstein untermauere die Landesregierung diesen Plan. Zugleich sieht Madsen Chancen in gezielter Zuwanderung. „Förderlich wird dabei sicher das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz sein, das in vielen Punkten die Erwerbsmigration erleichtern wird“, betonte er.
Eine weitere wichtige Zielgruppe der IHK sind Nachfolger. Damit sich in Zukunft wieder mehr Menschen für die Übernahme eines Unternehmens interessieren, fordert die Wirtschaft mehr Anerkennung von Politik und Gesellschaft dafür, dass Unternehmertum etwas Gutes sei. Es stehe für Fortschritt und nachhaltige Entwicklung, Arbeit und Wohlstand sowie soziale Marktwirtschaft. Zur Attraktivität des Unternehmertums gehöre es, Freiraum für Kreativität zu haben statt überbordender Bürokratie. Dazu zählten auch Berichtspflichten, die viel Aufwand erzeugen, oder die unterschiedlichen Regeln bei der Anwendung des Arbeitnehmerentsendegesetzes in Dänemark, Schweden und Deutschland. IHK und HanseBelt e.V. erwarten auch hier wirksame Entlastungen.
In einer engen Kooperation mit den skandinavischen Nachbarn liegen zudem große Chancen, den Hansebelt mit Innovationen als Zukunftsregion aufzustellen. Aus Sicht der Wirtschaft wäre eine stabile Energiepartnerschaft im Ostseeraum zur Erzeugung von Wind- und Wasserenergie sowie zur Herstellung von Wasserstoff wünschenswert. Gemeinsam mit den Partnern in Skandinavien könnte der Hansebelt eine dezentrale Energieerzeugung stärken und vor allem Strom aus regenerativen Quellen günstig erzeugen. „Wir haben jetzt diese große Chance, gemeinsam mit unseren Nachbarländern zum Energiezentrum im Norden zu werden“, sagte Goldbeck. Zudem biete der Weg zur Klimaneutralität gerade für Schleswig-Holstein große Chancen, etwa als Standort für erneuerbare Energien oder als attraktiver und nachhaltiger Wohn- und Arbeitsort. Zur Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit gehörten allerdings optimale Standortbedingungen: „Es kann nicht sein, dass wir hier auch heute noch die höchsten Strompreise im Bundesvergleich haben. Wir erwarten, dass sich die Landesregierung mit noch mehr Nachdruck beim Bund für eine Verbesserung einsetzt“, betonte der Präses.
Auch an den Hochschulen in Lübeck sollte sich das Land engagieren, da diese weit über die Grenzen der Stadt hinaus wirkten. Goldbeck: „Wir sollten Modellprojekte für den Wissenstransfer schaffen und stärker dafür werben.“ Ein zentrales Gebäude als Campus-Center im Schnittpunkt zwischen Universität, Technischer Hochschule und Technikzentrum Lübeck sei eine dringend benötigte gemeinsame Transferinfrastruktur für enge Kooperation von Wissenschaft und Wirtschaft auf dem Hanse Innovation Campus. Da bei dem Projekt aber zurzeit weitgehend Stillstand herrsche, müsse das Land dieses Vorhaben jetzt mit besonderem Nachdruck vorantreiben. Der zu Jahresbeginn erfolgte Start des gemeinsamen Projektes „Innovative Hochschule“ von Universität und Technischer Hochschule sollte dazu zusätzlichen Anlass geben.
Erforderlich für den Ausbau der Infrastruktur sei zudem die Beschleunigung von Planungen. „Das gilt vor allem für Großprojekte, wenn wir vorwärtskommen und international wettbewerbsfähig bleiben wollen. Unser Kerngedanke ist, dass die Menschen mobil sind und jeden Ort erreichen können“, betonte der Präses. Die gemeinsame Aufgabe von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sei es, das Erreichte zu bewahren und auszubauen, statt es ideologiegetrieben zu verhindern oder zurückzuentwickeln. Der Hansebelt sei aufgrund seiner herausragenden geografischen Lage mit einem Hafen am südwestlichsten Punkt der Ostsee die wichtigste Logistikdrehscheibe für den Ostseehandel. Der Hafen habe als Teil der transeuropäischen Verkehrsnetze mit seiner Hub-Funktion eine besondere Bedeutung. Goldbeck: „Diese sollten wir gemeinsam weiter herausstellen. Wir begrüßen daher die Einführung der Marke ‚PORT OF LÜBECK‘.“
Wenn Schleswig-Holstein das mittelstandsfreundlichste Land werden wolle, müsse es auch erreichbar sein, sagte Astrid Bednarski, die auch Mitglied der IHK-Vollversammlung ist. „Auch in einer digitalisierten Welt müssen Güter und Menschen von A nach B gelangen. Vorrangig fordern wir alle Akteure und die Politik auf, alles dafür zu tun, dass die Anbindung für die Verkehre über die feste Fehmarnbelt-Querung auf deutscher Seite bis Ende 2029 steht.“ Auch die Mobilität von Daten sei verbesserungsfähig. Aus Sicht der Unternehmen sei zudem eine Überarbeitung der Datenschutzgrundverordnung wünschenswert. „Hier fällt uns die deutsche Gründlichkeit und buchstabengetreue Anwendung gewaltig auf die Füße“, betonte Bednarski. „Lasst uns dieses Thema dänisch-pragmatisch angehen, das könnte ein richtiger Digitalisierungs-Booster werden.“ Präses Goldbeck schlug ergänzend vor, die Fragmentierung der Datenschutzaufsicht zu beenden. Auch wenn es keine anwendbaren Landesdatenschutzgesetze mehr gebe, bleibe die kleinteilige Landschaft der Datenschutzaufsicht. Deutlich weniger bürokratisch wäre eine bundesweite Datenschutzaufsicht, die sich nicht mit weiteren Aufsichtsbehörden abstimmen und eine Einigkeit erzielen müsse.
Text: IHK zu Lübeck / Redaktion